Page 41 - FM_OL_2-2020-Flipbook
P. 41
FAMILIENMAGAZIN OLDENBURG 2 | 2020
Ich nenne das „Worst-Case-Szenario“. Und darum geht es ja jetzt. Viele
Das heißt, Sie fordern das Kind auf, werden mit dem Virus in Kontakt
sich den allerschlimmsten Fall auszu- kommen, das können wir nicht ver-
malen, der passieren kann. Und dann hindern. Aber für unsere eigene Im-
überlegen Sie gemeinsam mit ihm, was munabwehr können wir etwas tun:
sie dann tun werden. Wenn das Kind
ein Gefühl dafür bekommt, dass es Unsere Aufmerksamkeit auf das len-
auch im allerschlimmsten Fall Hand- ken, was JETZT gut ist, was uns auch
lungsmöglichkeiten und Lösungen in dieser Krisenzeit alles möglich ist
geben wird, gibt ihm das Sicherheit. und wofür wir dankbar sein können.
Nachdem – aber bitte wirklich erst Lassen Sie uns den Fokus nicht auf
NACHDEM Sie den Ängsten diesen das legen, was gerade nicht mög-
Raum gegeben haben, lenken Sie lich ist, sondern die Chancen nutzen,
Zur Beantwortung und als Ratgeberin die Aufmerksamkeit zurück ins Hier die diese Zeit auch mit sich bringt.
befragen wir Sabine Tewes, Ärztin und und Jetzt.
Familientherapeutin in Oldenburg Wir können Zeit als Familie verbringen,
Was ist JETZT in miteinander sprechen und spielen.
diesem Moment? Gemeinsam etwas Gesundes kochen.
Zusammen einen Waldspaziergang ma-
chen. Alles, was Freude macht, ist gut!
jähriges Kind hat sicher andere Ängste Viele von uns sind gesund. Wir haben
als ein elfjähriges. Wenn das Kind das eine warme Wohnung. Wir haben zu Freude stärkt
ausführlich erzählen kann, fühlt es sich essen. Wir haben eine Familie. Wir
verstanden und angenommen. Und das haben Spielzeug. Wir können an die das Immunsystem!
ist eigentlich schon das Wichtigste, frische Luft gehen, im Garten spielen
was sie für Ihr Kind in einer Krise tun oder spazieren gehen. Schulen Sie den Geben Sie Ihren Kindern das Gefühl,
können! Und wenn Sie ihm dann noch Blick der Kinder für das, was JETZT dass wir alle aktiv etwas TUN können,
signalisieren, egal was passiert, ich bin gut ist. Und schulen sie Dankbarkeit. um unser Immunsystem zu stärken.
da, haben Sie schon sehr viel getan. Gerade eine Krise ist eine gute Gele- Das fördert das Vertrauen der Kinder,
genheit für uns, Dankbarkeit zu erleben dass unser Körper auch eine Infektion
In einer Krise nicht alleine sein und zu fördern. Vielleicht führen Sie gut überstehen kann! Und es fördert
mit seinen Gefühlen ist das Beste innerhalb der Familie ein Dankbar- das sichere Gefühl: Ich bin nicht allein.
was einem Kind und auch jedem keitsritual ein. Jeden Abend kommt die Wir zusammen als Familie gehen durch
Erwachsenen passieren kann! ganze Familie zusammen und jeder diese besondere Zeit.
sagt, wofür er heute dankbar war.
Gut und richtig ist es auch, dem Kind PS: All das hilft übrigens auch uns
(altersgerecht und angemessen) offen Dankbarkeit stärkt Erwachsenen, um in diesen Zeiten der
mitzuteilen, dass Sie selber auch das Immunsystem! Unsicherheit klar und im jetzigen Mo-
Ängste haben und dass das okay ist. ment zu bleiben …
Ängste gehören zum Leben dazu.
Wenn Sie noch mehr tun wol-
len, gibt es zwei Möglichkeiten.
Sie können einmal mit dem Kind einen
sogenannten Realitätscheck durchfüh-
ren. Das heißt, Sie überprüfen mit dem
Kind, wie wahrscheinlich es ist, dass
bestimmte Ängste sich bewahrheiten.
Da dürfen Sie dann altersentspre-
chend, vielleicht auch gemeinsam mit
dem Kind, nach Zahlen und Fakten
suchen. Es ist besser mit dem Kind
diese Wahrscheinlichkeitsrechnung
durzuführen als pauschal zu sagen,
uns wird schon nichts passieren. © iStock.com/Wavebreakmedia
Eine zweite Möglichkeit, dem
Kind die Ängste zu nehmen, klingt
vielleicht etwas paradox.
41